Gesundheit
Tabaksteuererhöhungen: Ein kostspieliges Risiko für Europas Gesundheit und Haushaltsstabilität

Ein durchgesickerter interner Bericht der Europäischen Kommission hat erhebliche Bedenken hinsichtlich der Pläne der Union geweckt, die Tabaksteuern drastisch zu erhöhen. Obwohl die Reformen offiziell die öffentliche Gesundheit verbessern und zusätzliche Einnahmen generieren sollen, warnt die Kommission in ihrer eigenen Analyse vor möglicherweise unbeabsichtigten – und sogar kontraproduktiven – Folgen.
Auf den ersten Blick scheint das Ziel edel: Steuern deutlich erhöhen, den Tabakkonsum reduzieren und die öffentliche Gesundheit stärken. Doch unter der Oberfläche entfaltet sich ein anderes Bild – eines von unbeabsichtigten Folgen, wirtschaftlichen Verwerfungen und politischen Schwachstellen.
Am 12. Juni 2025 veröffentlichte die deutsche Zeitung Bild berichtete zuerst über das Leck, das die Folgenabschätzung der Kommission zu einer vorgeschlagenen Aktualisierung der Tabaksteuerrichtlinie (TED) enthüllte. Dem Dokument zufolge schlägt die EU eine drastische Erhöhung der Verbrauchsteuern vor: 139 % für Zigaretten, 258 % für Drehtabak und satte 1,092 % für Zigarren. Auch E-Zigaretten und erhitzte Tabakprodukte, die derzeit auf EU-Ebene nicht besteuert werden, sollen einbezogen werden. Das bevorzugte Szenario könnte – zumindest auf dem Papier – zusätzliche Steuereinnahmen von 15.1 Milliarden Euro pro Jahr bringen.
Doch hier liegt der Haken: Die Analysten der Kommission selbst erkennen die Risiken an. Der Bericht nimmt kein Blatt vor den Mund. Er warnt, übermäßige Steuererhöhungen könnten nach hinten losgehen und Raucher in den illegalen Handel und zu billigeren, unregulierten Alternativen treiben.
Wenn die Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu groß werden, neigen Verbraucher eher dazu, grenzüberschreitend einzukaufen oder sich am Schmuggel zu beteiligen. Dies stellt für die EU schon seit langem eine Herausforderung dar. Bereits frühere Berichte der EU aus dem Jahr 2020 wiesen auf das Wachstum illegaler Tabakmärkte hin.
Der interne Bericht stellt auch die Wirksamkeit hoher Steuern bei der Senkung der Raucherquote in Frage. Obwohl Steuern in der Vergangenheit eingesetzt wurden, um den Tabakkonsum einzudämmen, scheint ihre Wirkung in Ländern mit bereits hohen Steuersätzen begrenzt zu sein. Daten deuten darauf hin, dass weitere Erhöhungen nur geringfügige Verbesserungen bringen, insbesondere wenn Verbraucher problemlos auf günstigere, unversteuerte Alternativen zugreifen können.
Eine gefährliche Diskrepanz zwischen Politik und Realität
Die politische Logik scheint klar: Rauchen teurer machen, und weniger Menschen werden rauchen. Doch dieser Lehrbuchansatz vereinfacht die komplexe soziale, wirtschaftliche und verhaltensbezogene Landschaft des Nikotinkonsums zu sehr.
Das Problem? Die EU ist kein einheitlicher, harmonisierter Steuerraum. Große Unterschiede bei den nationalen Verbrauchsteuersätzen begünstigen seit langem Schmuggel und grenzüberschreitende Einkäufe, wodurch jährlich Milliarden durch Betrug verloren gehen. Weiteres Öl ins Feuer zu gießen, könnte genau die Gesundheitsziele gefährden, die die Richtlinie erreichen will.
In Süd- und Osteuropa – wo Tabakanbau und -verarbeitung nach wie vor wichtige Wirtschaftssäulen sind – könnte der Schock besonders schwerwiegend sein. Länder wie Griechenland, Italien und Rumänien sind verständlicherweise besorgt. Sie argumentieren, dass die Raucherquoten bereits sinken und neue Steuern mehr Schaden als Nutzen anrichten könnten.
Kommissar Hoekstras Gratwanderung
Für Steuerkommissar Wopke Hoekstra ist dies eine Herkulesaufgabe: Er muss eine Richtlinie erarbeiten, die den Tabakkonsum einschränkt, moderne Nikotinalternativen berücksichtigt, Steuergerechtigkeit gewährleistet und die Entstehung eines florierenden Schwarzmarktes verhindert. Und das alles, während man gleichzeitig mit Inflationsdruck, Sorgen um die wirtschaftliche Erholung und divergierenden nationalen Interessen zu kämpfen hat.
Fünfzehn Mitgliedstaaten, darunter die Niederlande und Frankreich – der EU-Vorreiter im illegalen Tabakhandel – unterstützen den Vorschlag Berichten zufolge. Sie verweisen auf den doppelten Nutzen: Verbesserungen für die öffentliche Gesundheit und die Wiedergutmachung grenzüberschreitender Verluste. Die Unterstützung ist jedoch nicht einhellig, und der politische Konsens innerhalb der Union bleibt fragil.
Dennoch beliefen sich die Einnahmeverluste Frankreichs durch den illegalen Handel im vergangenen Jahr auf schätzungsweise 9.4 Milliarden Euro, wie aus einer KPMG-BerichtDie Niederlande, die ebenfalls hohe nationale Tabaksteuern erheben und sich für höhere EU-weite Steuern einsetzen, haben Schätzungen zufolge fast 900 Millionen Euro verloren.
Was uns das Leck verrät
Der vielleicht aufschlussreichste Aspekt des durchgesickerten Berichts ist sein Ton: vorsichtig, selbstkritisch und ungewöhnlich offen. Er räumt ein, dass Steuern zwar ein wirksames Instrument, aber kein Allheilmittel sind. Bei falscher Dosierung besteht die Gefahr, dass sie falsche Anreize schaffen, insbesondere in einem Markt, der bereits voller Alternativen und Schlupflöcher ist.
Kurz gesagt, die Kommission scheint in einem politischen Paradoxon gefangen zu sein: Wenn sie zu viel Druck ausübt, riskiert sie eine Destabilisierung sowohl der legalen Märkte als auch der nationalen Volkswirtschaften; wenn sie zu wenig Druck ausübt, verliert sie in Gesundheitsfragen ihre Glaubwürdigkeit.
Das Leck löste eine schnelle Reaktion sowohl von Gesundheitsaktivisten als auch der Tabakindustrie aus. Anti-Raucher-Aktivisten begrüßten die Vorschläge grundsätzlich und argumentierten, höhere Preise seien ein wirksames Mittel, um Menschen, insbesondere junge Menschen, vom Rauchen abzuhalten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt die Besteuerung seit langem als Schlüsselmaßnahme zur Reduzierung des Tabakkonsums.
Branchen- und Einzelhandelsverbände warnen hingegen vor den möglichen negativen Folgen der vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Verband der europäischen Tabakproduzenten (UNITAB) argumentiert beispielsweise, solche abrupten Preiserhöhungen könnten Kleinproduzenten schwächen und in ländlichen Gemeinden zu weitreichenden Arbeitsplatzverlusten führen. Einzelhändler, insbesondere in Grenzregionen, bereiten sich auf einen möglichen Anstieg des grenzüberschreitenden Einkaufs und des Schwarzmarkts vor.
Rechtlich gesehen erfordert die Umsetzung der neuen Richtlinie die Einstimmigkeit aller 27 EU-Mitgliedstaaten, was angesichts der derzeitigen Spaltungen eine erhebliche Herausforderung darstellt. Einige Mitgliedstaaten, darunter Schweden und Ungarn, haben bereits ihre Zurückhaltung geäußert und bevorzugen nationale Autonomie gegenüber der Verbrauchsteuerpolitik. Auch Länder wie Griechenland, Italien, Rumänien und Luxemburg lehnen eine Ausweitung und Erhöhung der tabakbezogenen Verbrauchsteuern ab.
Laut Dr. Karl Fagerström, außerordentlicher Professor und Forscher auf dem Gebiet Tabak und Nikotin, sollte sich die EU auf die schwedischen Erfahrungen konzentrieren. In Schweden, wo Männer Snus konsumieren und die mit Abstand niedrigste tabakbedingte Sterberate aller Männer in der Europäischen Union aufweisen, wurde die Besteuerung von Zigaretten im vergangenen Jahr leicht erhöht, die von Snus jedoch gesenkt. Das vermeintlich am wenigsten schädliche nikotinhaltige Produkt – die Nikotinbeutel – wird am wenigsten besteuert.
Laut Dr. Anders Milton, ehemaliger Vorsitzender des Weltärztebundes und ehemaliger Präsident des Schwedischen Roten Kreuzes, „Snus verursacht keinen Krebs, Rauchen hingegen schon. Obwohl in Schweden etwa der gleiche Prozentsatz der Männer täglich Tabak oder Nikotin konsumiert, hat das Land die niedrigste Lungenkrebsrate innerhalb der EU.“
In den anderen EU-Mitgliedsländern ist jeglicher Snus-Konsum illegal. Ist das die Art und Weise, wie Schweden die niedrigste Lungenkrebsrate in der EU hat, auf den Tabak- oder Nikotinkonsum zurückzuführen? Aus gesundheitlicher Sicht würde ich das nicht akzeptieren. Schweden hat gezeigt, dass der Konsum von Tabak oder Nikotin, der sich vom Rauchen unterscheidet, Leben rettet und manchen Menschen hilft, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern.fügte er hinzu.
Jeder Vorschlag zur Reform der TED birgt jedoch das Risiko von Problemen, wenn Verbraucher auf den Schwarzmarkt für billige Zigaretten ausweichen. Die strategische Bewertung von Europol hebt den Tabakschwarzmarkt als eine schnell wachsende und immer raffiniertere Form der organisierten Kriminalität hervor. Laut dem Bericht von 2025 importieren kriminelle Netzwerke nicht nur gefälschten Tabak, sondern errichten nun auch Produktionsstätten innerhalb der EU, näher an den nachfragestarken Märkten Westeuropas. Die EU-Strafverfolgungsbehörde weist darauf hin, dass Länder mit hohen Verbrauchsteuer- und Mehrwertsteuersätzen anfälliger für den illegalen Verkauf verbrauchsteuerpflichtiger Produkte seien.
Der Weg nach vorn: Pragmatismus statt Politik
Das durchgesickerte Dokument sollte ein Weckruf sein – nicht nur für politische Entscheidungsträger, sondern auch für Gesundheitsaktivisten, Ökonomen und Industrievertreter. Ehrgeiz ist unerlässlich. Realismus aber auch. Steuern allein können das Rauchproblem nicht lösen. Ebenso wenig können sie die Widerstandsfähigkeit illegaler Handelsnetzwerke gewährleisten, die flexibel, anpassungsfähig und transnational sind.
Europa braucht einen differenzierten, faktenbasierten Ansatz – einen, der moderate, gezielte Besteuerung mit Investitionen in Raucherentwöhnungsprogramme, öffentliche Aufklärung und länderübergreifende Durchsetzung kombiniert. Stumpfe fiskalische Instrumente mögen zwar Schlagzeilen machen, führen aber selten zu Ergebnissen.
Während die überarbeitete Tabaksteuerrichtlinie in den Fokus der Gesetzgebung rückt, ist eines klar: Brüssel muss vorsichtig vorgehen. Denn wenn es um Tabak geht, sollte der Weg zu besserer Gesundheit nicht mit fiskalischen Fehlkalkulationen gepflastert sein.
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