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Warum westliche Unternehmen trotz eskalierender Spannungen zögern, aus Russland auszusteigen

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Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen entscheiden sich überraschend viele westliche Unternehmen dafür, in Russland zu bleiben, auch wenn die Risiken steigen. Sergej Rjabkow, Russlands stellvertretender Außenminister, hat angedeutet, dass der Kreml die diplomatischen Beziehungen zu westlichen Ländern aufgrund ihrer zunehmenden Verwicklung in den Ukraine-Konflikt bald herabstufen könnte. Trotz dieser drohenden Gefahr ist es zumindest bisher nicht zu einem Massenexodus westlicher Unternehmen aus Russland gekommen.

Die russische Regierung ist bereits gegen mehrere westliche Unternehmen vorgegangen. Die dänische Brauerei Carlsberg musste mit der Beschlagnahme ihrer russischen Vermögenswerte rechnen, nachdem sie Pläne zur Desinvestition angekündigt hatte. Der deutsche Energieriese Uniper und der finnische Energieversorger Fortum erlitten ein ähnliches Schicksal, wobei ihre milliardenschweren Vermögenswerte „vorübergehend“ unter staatliche Kontrolle gestellt wurden. Das jüngste Ziel ist das in Großbritannien ansässige Unternehmen Raven Russia, der größte Lagerimmobilienbesitzer des Landes. Eine von der russischen Generalstaatsanwaltschaft eingereichte Klage zielt auf die Verstaatlichung der russischen Vermögenswerte ab. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, die Kontrolle über seine Betriebe behalten zu haben, obwohl es nach der russischen Invasion in der Ukraine offiziell an ein lokales Management verkauft wurde.

Trotz dieser Warnsignale ist ein großer Teil westlicher Unternehmen nach wie vor in Russland verankert. Die Kyiv School of Economics berichtet, dass noch immer über 2,000 ausländische Firmen im Land aktiv sind. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich dagegen nur rund 400 vollständig aus dem Land zurückgezogen.

Ein Austritt aus Russland wird zunehmend schwieriger und teurer. Unternehmen aus Ländern, die Moskau als „unfreundlich“ einstuft, müssen mit erheblichen Strafen rechnen, darunter einem obligatorischen 50-prozentigen Rabatt auf alle Verkäufe von Vermögenswerten und einer Austrittssteuer von 15 Prozent. Darüber hinaus ist es für potenzielle Käufer noch schwieriger, die Zustimmung der Regierung einzuholen.

Dennoch sind die finanziellen Vorteile eines Verbleibs beträchtlich. Der US-Tabakriese Philip Morris beispielsweise erzielte 7 auf dem russischen Markt einen Umsatz von über 2023 Milliarden Dollar. Der französische Baumarkthändler Leroy Merlin brachte mehr als 6 Milliarden Dollar ein, während das US-Unternehmen PepsiCo, der französische Einzelhändler Auchan, die österreichische Bank Raiffeisen, der US-Süßwarenhersteller Mars, der Schweizer Lebensmittelriese Nestlé und der deutsche Großhändler Metro jeweils zwischen 2.5 und 4 Milliarden Dollar verdienten.

Diese Zahlen unterstreichen, dass für westliche Unternehmen, die in Russland weiterhin aktiv sind, erheblicher finanzieller Einsatz auf dem Spiel steht, auch wenn sie sich in einem schwierigen und unvorhersehbaren Umfeld bewegen.

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SLB und UniCredit – Expansion trotz Rückschlägen?

Während sich einige westliche Firmen verschanzen, scheinen andere die Chancen zu nutzen, die sich durch den Weggang ihrer Konkurrenten ergeben.

Das in Texas ansässige Ölfelddienstleistungsunternehmen SLB, ehemals bekannt als Schlumberger, baut seine Aktivitäten in Russland aus und springt dort ein, wo sich andere westliche Unternehmen zurückgezogen haben. Seit Dezember 2023 hat SLB über 1,000 Stellenangebote in Russland ausgeschrieben, darunter Stellen für Fahrer, Chemiker und Geologen. Als weiteres Zeichen seines Engagements hat SLB laut lokalen Unternehmensdatenbanken ab Juli 2024 zwei neue Marken in Russland registriert.

Unterdessen focht die italienische Bank UniCredit, deren russische Tochtergesellschaft zu den 20 größten Banken des Landes zählt, die Anweisung der Europäischen Zentralbank an, dass EU-Banken ihren Rückzug aus Russland beschleunigen sollen, vor dem Europäischen Gerichtshof an.

Hugo Boss und Hadassah – ein strategischer Rückzug?

Umgekehrt beginnen einige Unternehmen, ihre Russland-Aktivitäten zurückzufahren.

Die deutsche Modemarke Hugo Boss hat kürzlich ihr Russlandgeschäft an einen lokalen Partner verkauft.

Hadassah Medical Moscow, ein Ableger des renommierten israelischen medizinischen Zentrums, das 2018 mit einer Investition von 15 Millionen Dollar in der russischen Hauptstadt eröffnet wurde, steht Berichten zufolge kurz vor der Schließung, da sich zudem die geopolitischen Spannungen verschärfen.

Hadassah Medical Moscow wurde ursprünglich gegründet, um unter der Aufsicht israelischer Spezialisten modernste Behandlungen anzubieten. Dabei hielt man sich an internationale medizinische Standards und verwendete Medikamente, die in Russland noch nicht zugelassen waren. Dieses Modell wurde jedoch durch die jüngsten Entwicklungen erschüttert.

Eine bedeutende Veränderung trat ein, als ein Anteil an der Klinik von einem Unternehmen erworben wurde, das mit dem russischen staatlichen Atomgiganten Rosatom verbunden ist. In der Folge nahm die Präsenz israelischer Ärzte ab und die Fähigkeit der Klinik, die einst garantierte hochwertige Versorgung zu bieten, gerät ins Wanken.

Die sich verschlechternden diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Russland haben die israelischen Medien dazu veranlasst, die Schließung der Klinik zu fordern. Die Situation wurde noch weiter angeheizt durch Berichte, wonach ein Hamas-Miliz in der Einrichtung behandelt wurde und damit ein Verbot des israelischen Gesundheitsministeriums, Mitglieder der Gruppe zu behandeln, missachtete. Darüber hinaus wächst innerhalb der israelischen Regierung die Sorge über den wachsenden Einfluss von Rosatom auf Hadassah Moskau.

Diese Faktoren deuten darauf hin, dass Hadassah Medical Moskau wahrscheinlich dabei ist, seine Geschäftstätigkeit zurückzufahren, sich von seiner ursprünglichen Mission zu entfernen und möglicherweise den russischen Gesundheitsmarkt vollständig zu verlassen.

Für westliche Unternehmen ist die Entscheidung, in Russland zu bleiben oder sich zurückzuziehen, eine komplexe Abwägung. Die Profitabilität des russischen Marktes ist unbestreitbar, aber die Risiken – von rechtlichen Verwicklungen bis hin zu Reputationsschäden – wachsen. Da sich die geopolitische Lage ständig weiterentwickelt, stehen diese Unternehmen vor immer schwierigeren Entscheidungen auf einem der anspruchsvollsten Märkte der Welt.

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EU Reporter veröffentlicht Artikel aus einer Vielzahl externer Quellen, die ein breites Spektrum an Standpunkten zum Ausdruck bringen. Die in diesen Artikeln vertretenen Positionen sind nicht unbedingt die von EU Reporter.

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